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Warum wir oft das Falsche vermeiden und das Richtige suchen

Autorenbild: Christian AspergerChristian Asperger

In der systemischen Psychotherapie betrachten wir Menschen als eingebettet in soziale Systeme – Familie, Partnerschaft, Freundeskreis und Arbeitswelt. Unsere Ziele und Strategien im Leben sind dabei oft unbewusst von diesen Kontexten beeinflusst. Ein zentrales Konzept, das unser Verhalten lenkt, sind Annäherungs- und Vermeidungsziele. Doch was steckt genau dahinter und warum ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen?


Psychotherapie in Praxis in 1020 Wien

Was versteht man unter Annäherungs- und Vermeidungszielen?


Annäherungsziele sind Ziele, die darauf abzielen, etwas Positives zu erreichen. Wir orientieren uns an dem, was wir haben oder erleben wollen. Diese Vorstellung zieht uns im wahrsten Sinne des Wortes an.


Typische Beispiele sind:

  • Eine tiefe, vertrauensvolle Beziehung aufzubauen,

  • eine berufliche Ausbildung oder

  • mehr Lebensfreude und Selbstzufriedenheit zu kultivieren.


Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Klientin möchte ihre sozialen Kontakte intensivieren, weil sie sich oft einsam fühlt. Sie setzt sich als Annäherungsziel, jede Woche einen Freund zu treffen und gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Durch dieses aktive Vorgehen spürt sie mehr Freude und Verbundenheit.


Vermeidungsziele hingegen richten sich darauf, etwas Negatives zu verhindern oder zu umgehen. Dabei liegt der Fokus auf dem, was nicht geschehen soll.


Beispiele dafür sind:

  • Konflikte zu vermeiden,

  • Fehler zu umgehen oder

  • unangenehme Gefühle wie Angst, Schuld, Scham oder Hilflosigkeit nicht zu erleben.


Ein Klient vermeidet es etwa, seine Bedürfnisse in der Partnerschaft zu äußern, um Ablehnung zu verhindern. Dieses Vermeidungsziel führt jedoch zu Frust und Distanz.

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Welche Vermeidungsstrategien gibt es?


Vermeidungsstrategien sind Verhaltensmuster, die uns helfen, unangenehme Situationen oder Gefühle zu umgehen.


Typische Strategien sind:

  • Verdrängung: Unangenehme Gedanken oder Gefühle werden ignoriert.

  • Ablenkung: Menschen füllen ihre Zeit mit Arbeit oder Medien, um schwierigen Themen auszuweichen.

  • Rückzug: Ein Klient meidet Gespräche über seine Gefühle, um Konflikte zu verhindern.

  • Perfektionismus: Durch ständiges Streben nach Fehlerfreiheit versucht man, Kritik zu umgehen.

  • Suchtverhalten: Ein Mann flüchtet sich in Alkohol oder stundenlange Videospiele, um emotionale Belastungen zu unterdrücken.

  • Ironie oder Sarkasmus: Wichtige Themen werden ins Lächerliche gezogen.


In der Praxis zeigt sich oft, dass Vermeidungsstrategien kurzfristig Erleichterung bringen, aber langfristig Probleme verschärfen.


Ein Beispiel: Eine Frau meidet Streit in ihrer Partnerschaft, um Harmonie zu wahren. Auf Dauer staut sich jedoch Unzufriedenheit an, die zu plötzlichen Konfliktausbrüchen führt. Ironischerweise führen Vermeidungsstrategie somit genau zum Eintrtt des befürchteten Ereignis oder Situation, die vermieden werden sollen, wie in diesem Fall der Verlust der Harmonie.


Psychotherapeut Mag. Christian Asperger

Wie wirken sich Vermeidungsziele auf uns und unsere Beziehungen aus?


Ein ständiges Vermeiden von unangenehmen Situationen oder Gefühlen birgt langfristige Risiken:

  1. Eingeschränkte Entwicklung: Vermeidungsstrategien halten uns in der Komfortzone fest. Wir lernen weniger dazu und vermeiden neue Erfahrungen.

  2. Spannungen in Beziehungen: Vermeidung von Konflikten führt oft zu Missverständnissen und Distanz.

  3. Gefühlsunterdrückung: Wer unangenehme Gefühle verdrängt, kann sie unbewusst anstauen. Dies zeigt sich dann in Überforderung oder emotionalen Ausbrüchen.


Was bewirken Annäherungsziele?


Annäherungsziele haben einen positiven Fokus und bringen oft Klarheit und Motivation. Sie fördern:

  1. Persönliches Wachstum: Wir lernen neue Dinge, überwinden Hindernisse und entwickeln Selbstvertrauen.

  2. Bessere Beziehungen: Annäherungsziele wie „offener zu kommunizieren“ oder „mehr Zeit miteinander zu verbringen“ schaffen Verbundenheit.

  3. Erfüllung: Wir erleben Zufriedenheit, indem wir uns an positiven Zielen orientieren.


Ein Paar in der Therapie setzt sich etwa als Ziel, mehr Wertschätzung auszudrücken. Sie gewöhnen sich an, einmal täglich etwas Positives über den anderen zu sagen – eine kleine Veränderung, die zu tieferer Nähe führt.



Fazit: Ein Gleichgewicht zwischen Annäherung und Vermeidung finden


Annäherungs- und Vermeidungsziele sind Teil unseres alltäglichen Lebens. Vermeidungsziele können uns kurzfristig vor emotionaler Überforderung schützen, hindern uns aber oft daran, unsere Potenziale und Beziehungen voll zu entfalten. Annäherungsziele helfen uns hingegen, aktiv positive Erfahrungen zu schaffen und uns weiterzuentwickeln. Ein gesundes Gleichgewicht beider Ansätze kann uns dabei unterstützen, ein erfüllteres und authentischeres Leben zu führen.


* Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich abwechselnd die weibliche oder männliche Form. Männer und Frauen sind natürlich gleichermaßen angesprochen. Gerne kann der Artikel auch über soziale Netzwerke geteilt werde.

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