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Angst, sich zu trennen? Strategien für mehr Klarheit und Mut

Autorenbild: Christian AspergerChristian Asperger

Die Angst vor einer Trennung ist ein emotionaler Ausnahmezustand, der uns in einer unglücklichen Beziehung festhalten kann. Der innere Konflikt zwischen dem Wunsch nach Veränderung und der Angst vor den Konsequenzen ist zermürbend und oft schwer zu lösen. Doch warum ist es so schwer, loszulassen, und wie können wir Wege finden, mehr Klarheit und Mut zu entwickeln?


Dieser Artikel beleuchtet aus systemischer und psychotherapeutischer Sicht die Ursachen für die Angst vor einer Trennung und zeigt Strategien auf, wie Sie trotz der Unsicherheiten Entscheidungen treffen können, die Ihrem Wohlbefinden dienen.


Psychotherapie in Praxis in 1020 Wien

Wie äußert sich die Angst vor einer Trennung?


Die Angst vor einer Trennung kann sich auf viele Arten zeigen – emotional, kognitiv und körperlich. Sie ist oft nicht eindeutig zu erkennen und äußert sich unter anderem durch:


  1. Emotionale Symptome:

    • Schuldgefühle und Scham („Ich habe versagt“).

    • Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit, gepaart mit innerer Zerrissenheit.

    • Überwältigende Angst vor Einsamkeit oder sozialer Ablehnung.

  2. Gedankenmuster:

    • Grübeleien: „Was, wenn ich die falsche Entscheidung treffe?“

    • Perfektionismus: Der Versuch, jede Konsequenz vorherzusehen und abzuwägen, ohne je zu einem Entschluss zu kommen.

    • Selbstzweifel: „Bin ich überhaupt in der Lage, ohne meinen Partner glücklich zu sein?“

  3. Körperliche Reaktionen:

    • Schlafstörungen und innere Unruhe.

    • Muskelverspannungen, besonders im Nacken und Bauch.

    • Psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenprobleme oder Herzrasen.

  4. Verhaltensmuster:

    • Vermeidung von klärenden Gesprächen.

    • Festhalten an Routinen, die eigentlich keine Zufriedenheit mehr bringen.

    • Rückzug oder unbewusste Sabotage der Beziehung, anstatt klare Entscheidungen zu treffen.


Warum fällt es so schwer, sich zu trennen?


1. Das Sicherheitsbedürfnis


Unser Sicherheitsbedürfnis ist ein Grundpfeiler unseres psychischen Wohlbefindens. Beziehungen bieten uns nicht nur emotionale Nähe, sondern auch Stabilität und Vertrautheit. Selbst wenn eine Beziehung nicht mehr glücklich ist, kann die Vorstellung, diesen sicheren Hafen zu verlassen, überwältigend sein.


  • Routine und Struktur: Menschen neigen dazu, sich an das Vertraute zu klammern, selbst wenn es schmerzhaft ist.

  • Angst vor dem Unbekannten: Veränderungen werden oft als Bedrohung wahrgenommen, da sie mit Unsicherheiten verbunden sind.


2. Familiäre Prägungen und Bindungsmuster


Unsere Erfahrungen mit Bindung und Trennung in der Kindheit prägen unser heutiges Verhalten:


  • Verlust- und Trennungserfahrungen: Kinder, die frühe Trennungen oder Verluste erlebten, können als Erwachsene Trennungen als existenzielle Bedrohung empfinden.

  • Bindungsstile: Menschen mit ängstlichem oder unsicherem Bindungsstil fürchten den Verlust einer Beziehung besonders stark, da sie diese oft mit ihrem Selbstwert verknüpfen.

  • Familiäre Glaubenssätze: Wenn in der Herkunftsfamilie Trennungen als Scheitern angesehen oder tabuisiert wurden, kann dies das eigene Verhältnis zu Trennung beeinflussen.


3. Wie Angst im Körper gespeichert wird


Emotionale Erfahrungen, insbesondere traumatische, werden oft körperlich verankert:


  • Körperliche Anspannung: Die Angst vor einer Trennung führt häufig zu chronischer Anspannung, z. B. im Bauch oder im Brustbereich.

  • Überaktiviertes Nervensystem: Das Gefühl, „auf der Flucht“ oder „erstarrt“ zu sein, ist Ausdruck eines gestressten Nervensystems.

  • Somatische Erinnerungen: Unverarbeitete Verlusterfahrungen können sich als diffuse Angstgefühle oder körperliche Unruhe zeigen.


Psychotherapeut Mag. Christian Asperger

Was tun, wenn die Angst überwältigend ist?


1. Sicherheit schaffen – für Körper und Geist


Bevor Sie große Entscheidungen treffen, ist es wichtig, ein Gefühl von innerer Sicherheit aufzubauen:


  • Atemübungen: Bewusste, tiefe Atemzüge können das Nervensystem beruhigen und helfen, in schwierigen Momenten Klarheit zu gewinnen.

  • Selbstmitgefühl üben: Sagen Sie sich selbst, dass Ihre Angst ein normaler Teil von Veränderungsprozessen ist. Erinnern Sie sich daran, dass es in Ordnung ist, Zeit zu brauchen.

  • Positive Ressourcen aktivieren: Erinnern Sie sich an Zeiten, in denen Sie schwierige Situationen gemeistert haben. Was hat Ihnen geholfen?


2. Familiäre Muster reflektieren


Manchmal ist es hilfreich, die eigenen Ängste in Zusammenhang mit familiären Prägungen zu betrachten:


  • Innere Fragen stellen: Gab es in meiner Familie Verluste oder Trennungen, die mich geprägt haben?

  • Familiäre Glaubenssätze hinterfragen: Stimmen Überzeugungen wie „Eine Trennung bedeutet Versagen“ wirklich mit meinen Werten überein?


3. Körperliche Blockaden lösen


Weil Angst oft im Körper gespeichert ist, können körperorientierte Ansätze hilfreich sein:


  • Progressive Muskelentspannung: Anspannung und Entspannung bestimmter Muskelgruppen helfen, Stress loszulassen.

  • Körpertherapie oder Somatic Experiencing: Diese Ansätze helfen, im Körper gespeicherte Emotionen behutsam zu lösen.


4. Reflexion und kleine Schritte


  • Schreiben Sie Ihre Gedanken auf: Welche Ängste halten Sie zurück? Welche Bedürfnisse kommen zu kurz?

  • Zukunft visualisieren: Stellen Sie sich vor, wie Ihr Leben in einem Jahr aussehen könnte – mit und ohne die Beziehung.

  • Probeläufe: Testen Sie, wie es sich anfühlt, auf Distanz zu gehen – etwa durch eine vorübergehende räumliche Trennung.


5. Unterstützung suchen


Ein neutraler Blick von außen, sei es durch Freunde oder einen Therapeuten, kann helfen, Klarheit zu gewinnen. Ein systemischer Therapeut kann dabei unterstützen, familiäre Muster zu erkennen und zu bearbeiten.



Wie finde ich den Mut, eine Entscheidung zu treffen?


Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern trotz der Angst zu handeln. Das kann bedeuten:


  • Kleine Schritte gehen: Anstatt sofort eine endgültige Entscheidung zu treffen, probieren Sie neue Wege aus, die Ihnen helfen, Ihre Ängste zu bewältigen.

  • Verantwortung für Ihr Leben übernehmen: Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Bedürfnisse und Ihre Lebensqualität Priorität haben.

  • Sich auf die Zukunft konzentrieren: Veränderungen sind schwierig, aber sie bieten auch die Chance auf Wachstum, Freiheit und Erfüllung.


Fazit: Klarheit und Mut sind ein Prozess


Die Angst vor einer Trennung ist eine natürliche Reaktion auf Veränderung. Sie zeigt, dass Beziehungen für unser Sicherheitsgefühl wichtig sind – doch manchmal erfordert Wachstum, diese Sicherheit zu hinterfragen. Indem Sie sich Zeit nehmen, Ihre Ängste zu verstehen, und sich schrittweise an Veränderungen herantasten, können Sie Klarheit und Mut gewinnen.


Denken Sie daran: Sie verdienen ein Leben, das Sie stärkt und erfüllt – ob mit oder ohne Ihre aktuelle Beziehung. Jede kleine Bewegung in Richtung Ihrer inneren Wahrheit ist ein Schritt zu einem authentischeren, glücklicheren Leben.


* Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich abwechselnd die weibliche oder männliche Form. Männer und Frauen sind natürlich gleichermaßen angesprochen. Gerne kann der Artikel auch über soziale Netzwerke geteilt werde.

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