Männer ab 40: Wie die Midlife Crisis sie verändert
- Christian Asperger
- 25. Aug.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Nov.
Mitten im Leben – und plötzlich fühlt sich vieles falsch an. Der Job, der einst so erfüllend war, wirkt leer. Die Partnerschaft ist von Routinen erstarrt. Träume aus der Jugend scheinen in weiter Ferne. Männer ab 40 erleben oft eine Phase, die in der Psychologie als Midlife Crisis bezeichnet wird.
Sie ist kein modischer Mythos, sondern ein realer Umbruch, der tief in die Identität, die Beziehungen und die Lebensplanung eingreift. Manche Männer kaufen plötzlich ein Motorrad, andere kündigen ohne Plan, wieder andere ziehen sich still zurück und kämpfen innerlich mit Sinnfragen. Was von außen wie eine „Laune“ wirken mag, ist oft ein komplexer psychologischer Prozess – und eine Chance, das eigene Leben neu auszurichten.

Männer ab 40: Wie die Midlife Crisis sie verändert – das Wichtigste in Kürze
Die Midlife Crisis ist keine eigenständige psychische Störung, sondern eine Umbruchphase, die tiefgreifende Veränderungen auslösen kann.
Männer ab 40 sind besonders betroffen, weil sich berufliche, familiäre und körperliche Faktoren überlagern.
Erste Anzeichen können innere Unruhe, Reizbarkeit, Rückzug oder plötzliche Abenteuerlust sein.
Partnerinnen, Familie und Kollegen spüren oft deutliche Veränderungen im Verhalten und in den Prioritäten.
Körperliche Prozesse (z. B. Hormonveränderungen, Herz-Kreislauf-Gesundheit) können den Verlauf beeinflussen.
Psychotherapie bietet wirksame Ansätze, um aus der Krise eine Entwicklungschance zu machen.
Prävention ist möglich – etwa durch bewusste Lebensplanung, Selbstreflexion und den Aufbau tragfähiger Beziehungen.
Podcast - Männer ab 40: Wie die Midlife Crisis sie verändert
Inhaltsverzeichnis
1. Was versteht man unter Midlife Crisis?
Die Midlife Crisis bezeichnet eine Lebensphase, meist zwischen dem 40. und 55. Lebensjahr, in der Menschen Bilanz ziehen: Was habe ich erreicht? Was ist unerfüllt geblieben? Was will ich mit dem Rest meines Lebens anfangen?
Für Männer ab 40 bedeutet dies oft, dass langjährige Lebensmuster hinterfragt werden – manchmal abrupt, manchmal schleichend. In der Psychologie wird sie als normative Lebenskrise betrachtet, die mit Übergängen und Rollenveränderungen einhergeht.
Die Midlife Crisis ist keine Diagnose im Sinne der ICD-10 oder DSM-5. Sie kann jedoch in Depressionen, Burnout oder Angststörungen münden, wenn keine gesunden Bewältigungsstrategien vorhanden sind.Abgrenzung:
Depression: Anhaltend gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Antriebslosigkeit.
Burnout: Emotionale Erschöpfung, oft berufsbedingt, mit Zynismus und Leistungsabfall.
Midlife Crisis: Emotionale Schwankungen, Sinnfragen, Umbrüche – nicht zwingend mit dauerhafter Antriebslosigkeit verbunden.

2. Warum betrifft es Männer ab 40 besonders?
In dieser Lebensphase treffen oft mehrere Faktoren zusammen:
Beruflicher Zenit: Erfolg erreicht, aber vielleicht keine neuen Herausforderungen.
Familienleben: Kinder werden selbstständig, Partnerschaft verändert sich.
Körperliche Veränderungen: Abnahme von Testosteron, erste Gesundheitsprobleme.
Vergleich mit anderen: Freunde oder Kollegen wirken erfolgreicher, freier, glücklicher.

3. Symptome, erste Anzeichen und mögliche Ursachen
Partnerinnen berichten oft von einem „anderen Menschen“: emotional distanzierter, weniger verbindlich, manchmal risikofreudiger. Kinder spüren Veränderungen in der Aufmerksamkeit und im Umgangston. Im beruflichen Umfeld kann es zu Leistungsschwankungen oder Konflikten kommen.
Typische Symptome und erste Anzeichen er Veränderung
Unzufriedenheit mit Job oder Beziehung
Gefühl von Leere oder Sinnlosigkeit
Plötzliche, ungewöhnliche Entscheidungen (z. B. Kündigung, Umzug, neue Hobbys)
Verändertes sexuelles Interesse
Rückzug oder übersteigerte Aktivität
Gereiztheit und Konfliktbereitschaft
Mögliche Ursachen: Körperliche, psychische und systemische Faktoren
Körperlich: Testosteronmangel, Stoffwechselveränderungen, Herz-Kreislauf-Probleme.
Psychisch: Identitätsfragen, unerfüllte Lebensziele, Verlust von Selbstwirksamkeit.
Systemisch: Veränderungen in Partnerschaft, Elternrolle, beruflichem Status, Freundeskreis.

4. Psychotherapie als Wegbegleiter in der Krise - Fallbeispiele aus der Praxis
Fall 1: Markus, 44 – „Der Job hat seinen Glanz verloren“
Markus sitzt an einem regnerischen Dienstagmorgen vor mir. Maßgeschneiderter Anzug, teure Uhr – und ein Blick, der verrät, dass all das keine Freude mehr auslöst.„Ich weiß nicht mehr, wozu ich das alles mache“, sagt er leise. Markus ist Bereichsleiter in einem internationalen Konzern. Seit über 15 Jahren klettert er die Karriereleiter hinauf, und eigentlich hat er alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Doch jetzt fühlt sich jeder Arbeitstag wie eine Wiederholung an – ohne Sinn, ohne Begeisterung.
In den ersten Sitzungen spricht Markus viel über Erfolge, Boni und Statussymbole – und darüber, wie diese früher wie kleine Siege waren. Heute wirken sie auf ihn wie belanglose Zahlen. Auf die Frage, wann er das letzte Mal Freude bei der Arbeit empfunden hat, schweigt er lange.
Therapeutische Intervention: Timeline-Arbeit
Wir erstellen gemeinsam eine biografische Zeitlinie. Markus markiert prägende Momente seiner Karriere – vom ersten Praktikum bis zur heutigen Position. Beim Betrachten fällt ihm auf: Die Phasen, in denen er am glücklichsten war, hatten mit kreativen Projekten, Teamgeist und dem Gefühl, etwas Neues zu schaffen, zu tun. Die letzten Jahre hingegen waren von Management-Meetings, Budgetkürzungen und politischen Machtspielen geprägt.
Verlauf über mehrere Sitzungen:
Sitzung 4: Markus erkennt, dass er seinen Karriereweg nie bewusst gesteuert, sondern Gelegenheiten ergriffen hat, die sich boten – oft aus Pflichtgefühl.
Sitzung 6: Er entwickelt Kriterien für eine Tätigkeit, die ihm wieder Sinn geben würde: Kreativität, Innovation, Zusammenarbeit.
Sitzung 8: Er verhandelt intern eine neue Rolle in einem Innovationsprojekt – und spürt erstmals seit Jahren wieder Aufregung und Vorfreude.
Ergebnis:
Markus wirkt energiegeladener, sein Schlaf verbessert sich, und er berichtet, dass er „wieder Ideen im Kopf hat, statt nur To-Do-Listen“.
Fall 2: Thomas, 48 – „Nähe und Distanz in der Partnerschaft“
Thomas kommt mit gesenktem Blick in die Praxis. „Meine Frau sagt, ich sei nicht mehr der, den sie geheiratet hat.“ Er spricht leise, als hätte er Angst, dass jemand mithören könnte. Seit einigen Jahren spürt er eine wachsende Distanz in der Beziehung – weniger Zärtlichkeit, weniger Gespräche, weniger gemeinsames Lachen. Gleichzeitig fühlt er sich von jüngeren Frauen angezogen, was ihn verunsichert und beschämt.
In den ersten Stunden reden wir über die gemeinsamen Jahre mit seiner Partnerin, die Kinder, den Alltag. Thomas beschreibt eine solide Beziehung, die aber im Laufe der Zeit funktionaler geworden ist – wie eine Firma, die läuft, aber nicht inspiriert. „Ich bin der Versorger, der Planer, der Problemlöser“, sagt er, „aber nicht mehr der Mann, der sie zum Lachen bringt.“
Therapeutische Intervention: Systembrett-Aufstellung
Wir stellen die wichtigsten Personen und Rollen in seinem Leben mit Figuren auf dem Systembrett dar. Seine Frau steht weit entfernt von ihm, beide blicken in verschiedene Richtungen. Thomas steht zwischen der Familie und seinem Beruf, ohne echten Kontakt zu sich selbst.
Verlauf über mehrere Sitzungen:
Sitzung 3: Durch Verschieben der Figuren experimentieren wir mit neuen Positionen – Thomas stellt sich direkt neben seine Frau, beide schauen auf ein gemeinsames Ziel (eine geplante Reise).
Sitzung 5: Er probiert im Alltag, abends bewusst Zeit für Zweisamkeit zu schaffen, ohne über Probleme zu sprechen.
Sitzung 7: Er berichtet, dass er und seine Frau seit Langem wieder einen Abend tanzend verbracht haben – „Ich habe mich gefühlt wie 25“.
Ergebnis:
Die sexuelle Distanz beginnt sich zu verringern, und Thomas sagt: „Ich glaube, ich habe nicht nur sie, sondern auch mich wiedergefunden.“
Fall 3: Andreas, 52 – „Der Verlust des Vaters“
Andreas kommt wenige Wochen nach der Beerdigung seines Vaters zu mir. „Ich hätte nie gedacht, dass mich das so aus der Bahn wirft.“ Obwohl ihr Verhältnis nie innig war, spürt er jetzt eine tiefe Leere. Der Tod hat ihm die eigene Sterblichkeit schmerzhaft vor Augen geführt. Er beginnt, alles in Frage zu stellen: seine Arbeit, seine Ehe, seine Ziele.
In den ersten Sitzungen schwankt er zwischen Trauer, Wut und Resignation. Er erzählt von verpassten Chancen, vom Wunsch, etwas Bleibendes zu hinterlassen – und von der Angst, dass es dafür zu spät sei.
Therapeutische Intervention: Narrative Methode
Wir arbeiten daran, seine Lebensgeschichte neu zu erzählen. Andreas soll Episoden aufschreiben, in denen er Krisen gemeistert oder etwas Wertvolles geschaffen hat. Dabei tauchen Erinnerungen an sein Engagement im Sportverein, an ein selbstgebautes Baumhaus für seine Kinder und an berufliche Erfolge auf, die er lange vergessen hatte.
Verlauf über mehrere Sitzungen:
Sitzung 4: Er erkennt, dass er in vielen Phasen seines Lebens schon mutige Entscheidungen getroffen hat – und dass er das immer noch kann.
Sitzung 6: Er formuliert eine neue Vision: mehr Sinn durch Engagement.
Sitzung 8: Er beginnt, sich ehrenamtlich in einem Hospiz zu engagieren – inspiriert durch die Erfahrung mit seinem Vater.
Ergebnis:
Andreas sagt: „Ich weiß nicht, wie lange ich noch habe, aber ich will, dass es zählt.“ Seine Ehe wirkt stabiler, und er strahlt mehr Ruhe aus.
5. Fazit: Die Midlife Crisis als Wendepunkt nutzen
Die Midlife Crisis ist für viele Männer ab 40 kein plötzlicher Sturm, sondern ein schleichender Wetterumschwung im Leben. Sie kann verunsichern, Beziehungen belasten und langgehegte Gewissheiten infrage stellen – und sie ist doch kein unausweichlicher Absturz.Wer die inneren Signale ernst nimmt, kann diese Lebensphase als Einladung verstehen, innezuhalten und bewusst neu zu gestalten.
Die Fallbeispiele zeigen, dass Psychotherapie in dieser Umbruchzeit nicht nur „Symptombehandlung“ ist, sondern ein Raum, um Perspektiven zu erweitern, emotionale Blockaden zu lösen und wieder Zugang zu den eigenen Ressourcen zu finden. Ob durch biografische Arbeit, systemische Aufstellungen oder narrative Methoden – entscheidend ist die Bereitschaft, ehrlich auf sich selbst zu schauen und Veränderungen zuzulassen.
Männer ab 40 stehen oft an einem Wendepunkt. Wer diesen Moment nutzt, kann nicht nur Krisen überwinden, sondern eine neue Lebensqualität gewinnen – mit mehr Klarheit, Sinn und innerer Freiheit.

6. Mein Therapie-Ansatz kann helfen

In meiner Rolle als Psychotherapeut integriere ich meine langjährige Erfahrung aus meiner Praxis als Psychotherapeut sowie als Führungskraft in Konzernen mit einer soliden Ausbildung in systemischer Psychotherapie und Coaching. Mein Ansatz basiert auf dem Verständnis der Menschen im Kontext ihrer sozialen Beziehungen und der Konzentration auf das "Wie" gegenwärtiger Situationen. Ich betrachte Klienten als Experten ihrer eigenen Fälle und vermeide es, Themen zu vertiefen, die sie nicht aktiv einbringen.
Neben meiner beruflichen Tätigkeit engagiere ich mich in kontinuierlichen Weiterbildungen und genieße meine Freizeit mit meiner Familie und Outdoor-Aktivitäten. Meine Qualifikationen umfassen systemische Psychotherapie, Paartherapie, hundegestützte Therapie, EMDR, systemisches Coaching und ein Studium der Betriebswirtschaft.
FAQs - Häufige Fragen und Antworten zum Thema Midlife Crisis
Wie lange dauert eine Midlife Crisis?
Zwischen einigen Monaten und mehreren Jahren – abhängig von Persönlichkeit, Umfeld und Unterstützung.
Wie erkenne ich den Unterschied zu einer Depression?
Midlife Crisis ist meist phasenweise und beinhaltet auch Aktivitätssteigerungen, Depression oft dauerhaft mit Antriebsmangel
Ist eine Midlife Crisis vermeidbar?
Nicht immer, aber man kann sich vorbereiten, durch regelmäßige Selbstreflexion, Pflege von Freundschaften, körperliche Aktivität, Balance zwischen Beruf und Privatleben und das bewusste Setzen von neuen, erreichbaren Zielen.
Hilft Sport gegen Midlife Crisis?
Ja – körperliche Aktivität verbessert Stimmung, Selbstwert und Gesundheit.
Kann eine Midlife Crisis meine Beziehung zerstören?
Ja, wenn Veränderungen nicht offen kommuniziert werden. Therapie kann helfen, Brücken zu bauen.
Brauche ich unbedingt Psychotherapie?
Nicht zwingend – aber professionelle Begleitung kann den Prozess verkürzen und erleichtern.
Kann eine Midlife Crisis etwas Positives sein?
Ja, sie kann eine Chance sein, neue Ziele zu setzen und erfüllter zu leben.
Was kann ich tun, wenn mein Partner betroffen ist?
Verständnis zeigen, offen bleiben, Grenzen respektieren, ggf. Paartherapie erwägen.
Sind spontane Lebensveränderungen ein schlechtes Zeichen?
Nicht unbedingt – entscheidend ist, ob sie aus Klarheit oder aus Flucht entstehen.
Wie oft betrifft die Midlife Crisis Männer ab 40?
Studien variieren, Schätzungen liegen zwischen 10 und 25 % dieser Altersgruppe.
