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AutorenbildChristian Asperger

Väterkarenz: Karriereknick oder Karriereboost?

Aktualisiert: 14. Sept. 2022


Heutzutage sind karenzierte Väter keine Einzelfälle mehr. Mittlerweile gehen rund 20% der werdenden Väter in Karenz. Doch nur ein geringer Teil bleibt mehr als drei Monate beim Kind. Ist das längere Fernbleiben eine Gefahr für die persönliche Karriere? Und noch viel wichtiger: was bedeutet dies dann für unser Frauenbild im Berufsleben? Finden Sie hier die Antworten.


Psychotherapeut Asperger bei Spaziergang während seiner Väterkarenz

Seit knapp 3 Monaten bin ich nun zu Hause in Väterkarenz und genieße gerade jetzt im Sommer die gemeinsame Zeit mit meinem 8 Monate altem Sohn. In Summe werde ich 6 Monate zu Hause sein. Der Durchschnitt der Elternkarenz bei Männern liegt bei 3 Monaten. Da bin ich also um 100% darüber aber immer noch weit entfernt von durchschnittlichen knapp 15 Monaten bei den Frauen.


Ist es also für Männer deutlich schwerer Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen? Und wenn dem so wäre, was könnten mögliche Gründe sein? Wird die Auszeit mit dem gefürchteten Karriereknick - vor allem bei Männern in Führungspositionen oder mit entsprechenden Führungsansprüchen - bestraft? Oder profitieren Väter sogar von der strukturierten Auszeit zur Betreuung des Nachwuchses weil sie dadurch eine zusätzliche Möglichkeit bekommen, soziale Kompetenzen zu verbessern, die auch beruflich höchst relevant sind (Teamfähigkeit, Verantwortung, Arbeitseffizienz)?


Mein Alltag: Routinen erwünscht und Flexibilität gefordert


Unser Alltag besteht aus zahlreichen Routinen, wie z.B. morgens mit unserem Beagle in die Hundezone und anschließend zum nahen Ufer gehen um die Schwäne am Wasser zu beobachteten. Wir haben feste Essens- und wenn mein Sohn mitspielt - Schlafenszeiten. Hinsichtlich Planungsfähigkeit und Disziplin werden wir Eltern ganz schön gefordert. Dies sind natürlich durchaus Fähigkeiten, die auch in verantwortungsvollen Positionen im Beruf erwünscht sind.


Dazwischen braucht es aber auch jede Menge Flexibilität um sich auf unvorhersehbare Zwischenfälle einzustellen. Fixe Strukturen und Manöverspielraum klingen zwar zunächst wie ein krasser Widerspruch, sind aber tatsächlich immens wichtig im Baby-Alltag. Die maximale Fremdbestimmung durch ein kleines, von den Eltern vollkommen abhängiges Baby erfordert auch ganz schön viel Gelassenheit. Davon können wohl alle Mamis und Papis ganze Bücher schreiben.


Trotz oder gerade wegen der Ambivalenz von strukturierter Planung und agiler Adaption auf fremdbestimmte Einflüsse ist die Job Description als Eltern vielleicht gar nicht so viel anders als das Wunschprofil so mancher HR-Abteilungen oder Headhunter. Auch in der Selbständigkeit als Start Up oder etablierter Unternehmer werden die geforderten Fähigkeiten über Erfolg oder Misserfolg in einem hoch dynamischen Umfeld entscheiden.


Job-Nachteile wegen Karenz: Für Mütter normal, für Väter außergewöhnlich


Untersuchungen zeigen: Ein höheres Gehalt von Vätern wird oft als Argument hergenommen, warum sie gar nicht oder nur sehr kurz in Karenz gehen. Verdient jedoch die Frau mehr, spielt das unterschiedliche Gehalt nur noch eine untergeordnete Rolle bei der Entscheidung darüber, wer wie lange in Karenz geht.


Wenn ich mit werdenden Vätern spreche, die in Karenz gehen wollen, nennen diese oft als Vorbehalt, dass sie dadurch womöglich im Vergleich zu Kollegen Nachteile bei Gehalt und Karriere in Kauf nehmen müssen. Und wie ist es dann bei den Müttern? Haben diese wegen der Karenz keine Nachteile im Job und bei der Bezahlung? Scheinbar sollen berufliche Nachteile in der Karriere für Mütter normal sein während sie für Väter außergewöhnlich sind. Und was ist eigentlich das gängige Karriereverständnis der potentiellen Zielgruppe zukünftiger Eltern? Oft verstehen wir Karriere als scheinbar Einbahnstraße nach oben, doch der Begriff bezeichnet eigentlich die Berufslaufbahn - unabhängig von der horizontalen oder vertikalen Bewegung durch die Hierarchien eines Unternehmens. Die individuelle Berufslaufbahn besteht mehr aus der Abfolge von rollenbezogenen Erfahrungen und der persönlichen Entwicklung von Fähigkeiten, die natürlich auch die eigenen Verdienstmöglichkeiten am Markt bestimmen.


Manchmal werde ich auch gefragt, wie die Karenz mit meiner Selbständigkeit kombinierbar ist und ob ich nicht Sorge vor möglichen Auftrags- oder KlientInnen-Verlusten hätte? Nun, die Selbständigkeit birgt natürlich diverse zusätzliche Risiken im Vergleich zu einer Anstellung. Wer als Selbständige/r diesen Schritt in eine Karenz wagt, setzt sich diesem Risiko umso bewusster aus. Wie also damit umgehen und trotz aufkommender Zweifel für das Kind möglichst präsent sein?


Wie so oft im Leben, geht es um das Selbstvertrauen in die eigene Wirksamkeit. Damit einher geht auch das Gefühl von Sicherheit. Dabei ist die gefühlte Sicherheit höchst individuell und weniger von den konkreten, objektiv messbaren Rahmenbedingungen (z.B. Potenz der finanziellen Absicherung) anhängig.


Egal also, ob Führungskraft in einem Konzern oder selbständiger Unternehmer, der bewusste Schritt raus aus dem Business und rein in die Kinderbetreuung zeigt uns, dass wir neben dem organisatorischen Rahmen auch eine ganze Menge an individuellen Fähig- und Fertigkeiten an uns entdecken dürfen.


* Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich abwechselnd die weibliche oder männliche Form. Männer und Frauen sind natürlich gleichermaßen angesprochen. Gerne kann der Artikel auch über soziale Netzwerke geteilt werde.

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