Machtstreben in der Psychologie: Warum manche Menschen dominieren wollen
- Christian Asperger
- vor 12 Minuten
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Warum streben manche Menschen nach Kontrolle und Einfluss – beruflich wie privat – während andere sich eher zurückhalten oder Konflikten ausweichen? In der Psychologie wird dieses Verhalten als „Machtstreben“ beschrieben – ein Phänomen, das nicht nur in Konzernbüros, sondern auch im Familienalltag, in Paarbeziehungen oder bei inneren Konflikten eine große Rolle spielt.
Besonders in der systemischen Psychotherapie wird Machtstreben nicht isoliert als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet, sondern als Ausdruck einer bestimmten Beziehungsdynamik. Wer lernen möchte, dieses Streben nach Einfluss zu verstehen – und womöglich zu verändern –, profitiert von einem Blick hinter die Fassade: Was motiviert dominantes Verhalten? Welche inneren Antreiber sind beteiligt? Und was kann therapeutisch getan werden?

Was Sie hier erfahren können
Was Machtstreben aus Sicht der Psychologie bedeutet
Wie es sich im Alltag von Führungskräften, Unternehmern und in Beziehungen zeigt
Welche tieferliegenden Bedürfnisse und Ängste damit verbunden sind
Wie typische Muster in der systemischen Therapie sichtbar werden
Welche Wege es gibt, Machtverhalten zu erkennen, zu reflektieren und produktiv zu gestalten
Inhaltsverzeichnis
1. Machtstreben Psychologie: Was bedeutet das eigentlich?
In der Psychologie bezeichnet Machtstreben das innere Bedürfnis, Kontrolle auszuüben, Einfluss zu nehmen und sich gegen Widerstände durchzusetzen. In manchen Fällen wird dieses Streben offen zur Schau gestellt – etwa in Form von autoritärem Führungsstil, Konkurrenzverhalten oder Dominanz in Gesprächen. In anderen Fällen wirkt es subtiler, z. B. durch emotionale Manipulation oder passiv-aggressives Verhalten.
Praxisbeispiel:
Ein Klient, CEO eines mittelständischen IT-Unternehmens, schildert, wie er sich ständig unter Druck fühlt, alles im Griff zu haben. Mitarbeitende delegieren, Vertrauen schenken – das fällt ihm schwer. In der Therapie zeigt sich: In seiner Herkunftsfamilie galt emotionale Kontrolle als Überlebensstrategie. Schwäche zeigen? War keine Option. Sein heutiges Machtstreben ist ein Versuch, Unsicherheiten zu vermeiden – und zugleich eine Barriere für authentische Beziehungen.
Systemisch betrachtet entsteht Macht nicht im luftleeren Raum. Sie ist immer relational: Sie braucht ein Gegenüber, das sich (bewusst oder unbewusst) unterordnet. Deshalb ist Machtstreben nie nur „persönlich“, sondern Ausdruck einer Beziehungskultur – in Teams, Familien oder Paaren..

2. Wurzeln des Machtverlangens – zwischen Angst, Selbstwert und Kontrolle
Machtstreben hat selten nur mit Ego oder Geltungsbedürfnis zu tun. Viel häufiger geht es um innere Kompensation:
Angst vor Kontrollverlust: Wer als Kind erlebt hat, dass Sicherheit nur durch Kontrolle möglich war, entwickelt oft ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Unvorhersehbaren.
Selbstwertschutz: Dominanz kann als Schutzmauer dienen – vor Ablehnung, Kritik oder Verletzlichkeit.
Prägende Rollenvorbilder: Wenn frühe Bezugspersonen Macht autoritär ausübten, wird dieses Muster oft übernommen – als „Normalität“.
Leistungskultur: In Berufen mit hohem Leistungsdruck (z. B. Anwaltskanzleien, Start-ups, medizinische Führungsrollen) wird Machtstreben oft belohnt – und reflektiert selten hinterfragt.
Praxisbeispiel:
Eine Klientin, leitende Ärztin in einem Wiener Privatspital, berichtet von ständigen Konflikten mit Kolleginnen. Sie fühlt sich oft übergangen – reagiert dann kontrollierend und abwertend. In der Therapie zeigt sich: Ihre Mutter war emotional instabil, sie selbst übernahm früh Verantwortung. Ihre heutige Kontrollhaltung schützt sie – aber isoliert sie zugleich.
Systemisch wird deutlich: Hinter dem Streben nach Macht liegt oft ein berechtigtes Bedürfnis – nach Sicherheit, Zugehörigkeit oder Selbstwirksamkeit. Doch wenn dieses Bedürfnis unbewusst bleibt, kann es in Beziehungen zu destruktiven Mustern führen.

3. Dominanz in Beziehungen und im Berufsleben: Wie Machtspiele entstehen
Machtstreben Psychologie – das Thema zeigt sich nicht nur in Vorstandsetagen. Auch in Partnerschaften, Familien oder Freundschaften entstehen häufig unbewusste Machtspiele:
Wer trifft Entscheidungen?
Wer initiiert Nähe oder zieht sich zurück?
Wer darf Emotionen zeigen – und wer nicht?
Praxisbeispiel:
Ein Paar in mittleren Jahren kommt zur Paartherapie. Sie fühlt sich nicht gesehen, er fühlt sich ständig kritisiert. Schnell wird klar: Ihre Dynamik dreht sich um Kontrolle. Sie möchte Nähe herstellen durch Gespräch, er entzieht sich durch Schweigen. Beide wollen „Recht haben“, doch eigentlich fürchten sie, den Einfluss auf die Beziehung zu verlieren.
Auch im Coaching mit Führungskräften wird deutlich: Wer sich über Macht definiert, läuft Gefahr, emotionale Intelligenz zu verlieren. Die Folge: Misstrauen, Mitarbeiterfluktuation oder private Isolation – trotz äußerem Erfolg.
Typische Symptome systemischer Machtspiele:
Andere werden entweder idealisiert oder entwertet
Es gibt „Sieger“ und „Verlierer“ – statt Dialog auf Augenhöhe

4. Systemischer Umgang mit Machtstreben: Perspektiven verändern
Systemische Therapie geht davon aus:
„Jedes Verhalten erfüllt eine Funktion. Wenn wir diese verstehen, können wir das Verhalten verändern.“
Ziel ist nicht, Machtstreben zu „eliminieren“, sondern es bewusst und konstruktiv zu gestalten. Dazu gehören:
Zirkuläre Fragen: Wie trägt das eigene Verhalten zur Reaktion des Gegenübers bei?
Rollenklärung: Wer übernimmt welche Verantwortung – freiwillig oder aus Gewohnheit?
Aufstellungen oder Genogramme: Welche Machtmuster wurden aus der Herkunftsfamilie übernommen?
Reframing: Was wäre eine positive Absicht hinter dem Machtverhalten?
Praxisbeispiel:
Ein Klient, Gründer eines Technologie-Start-ups, kämpft mit Konflikten im Führungsteam. In der systemischen Beratung erkennt er: Sein Bedürfnis nach Kontrolle hat mit frühen Erfahrungen von Instabilität zu tun. Durch Perspektivwechsel, Feedbackrunden und gezielte Selbstreflexion gelingt es ihm, Führungsverantwortung abzugeben – und zugleich authentisch präsent zu bleiben.
In diesem Prozess verändert sich auch das Selbstbild: Vom „Durchsetzer“ zum „Beziehungsmanager“. Die Wirkung ist spürbar – im Team wie in der Partnerschaft.
5. Fazit
Machtstreben ist weder gut noch schlecht – es ist menschlich. Die Psychologie zeigt, dass dieses Verhalten oft aus nachvollziehbaren Motiven entsteht: aus Angst, Schutzbedürfnis, Erfahrung oder Anpassung.
Die systemische Therapie bietet die Möglichkeit, diese Muster zu verstehen und zu transformieren – nicht durch Kontrolle, sondern durch Beziehungskompetenz. Wer erkennt, was sein Machtverhalten antreibt, kann neue Wege finden: weg von Dominanz, hin zu echter Verbindung.
Denn: Macht, die nicht reflektiert wird, trennt.Macht, die verstanden wird, kann verbinden.
Wenn Sie als Führungskraft, Unternehmer:in oder Privatperson das Gefühl haben, dass Ihr Bedürfnis nach Kontrolle Ihre Beziehungen beeinflusst – beruflich oder privat – dann kann eine systemische Psychotherapie oder ein zielgerichtetes Coaching helfen, neue Perspektiven zu entwickeln.

6. Mein Therapie-Ansatz kann helfen

In meiner Rolle als Psychotherapeut integriere ich meine langjährige Erfahrung aus meiner Praxis als Psychotherapeut sowie als Führungskraft in Konzernen mit einer soliden Ausbildung in systemischer Psychotherapie und Coaching. Mein Ansatz basiert auf dem Verständnis der Menschen im Kontext ihrer sozialen Beziehungen und der Konzentration auf das "Wie" gegenwärtiger Situationen. Ich betrachte Klienten als Experten ihrer eigenen Fälle und vermeide es, Themen zu vertiefen, die sie nicht aktiv einbringen.
Neben meiner beruflichen Tätigkeit engagiere ich mich in kontinuierlichen Weiterbildungen und genieße meine Freizeit mit meiner Familie und Outdoor-Aktivitäten. Meine Qualifikationen umfassen systemische Psychotherapie, Paartherapie, hundegestützte Therapie, EMDR, systemisches Coaching und ein Studium der Betriebswirtschaft.